Am liebsten segle ich einhand- bisher vier Wochen Dänische Südsee, eine Woche Stettiner Haff, eine Woche Ijsselmeer und Dutzende Tagestörn auf Brombachsee und Steinberger See. Daher werde ich Euch im Winter am ersten Sonntag des Monats ein Reisebuch vorstellen, das von einem Alleinreisenden geschrieben wurde. Denn es gibt viele Gemeinsamkeiten zwischen Einhandseglern in Küstengewässern und Alleinreisenden an Land: Die Einsamkeit, die Begegnung mit anderen Menschen, die Stille,…
Passend zum Winterschneechaos habe ich einen Einhandsegler- Reisebericht gelesen: „Seefahrt mit Huhn“ (ISBN: 978-3-89029-538-1 im Malik- Verlag) von Guirec Soudee.
Worum geht es?
Der Franzose bricht mit 18 Jahren die Schule ab, weil er lieber Geld für seine Weltumsegelung verdienen will als zu büffeln. Zuerst jobbt er in Australien, dann als Fensterverkäufer in Paris.
Im Mittelmeer findet er ein gebrauchtes Stahlboot mit Schwert, das er mit Freunden in seine Heimat, die Bretagne überführt. Dort repariert es das Boot und bricht zu seiner ersten Atlantiküberquerung in die Karibik auf. Nach einigen Seemeilen wäre die Reise schon zu Ende gewesen, hätte seine große Schwester nicht einen neuen Autopiloten gesponsert.
Auf den Kanaren macht der junge Mann sich auf die Suche nach einem Haustier und Freunde überraschen ihn mit einem Huhn. Er benennt den Vogel nach seinem bretonischen Trinkbecher: Monique.
In Trinidad schweißt der Autor sein Rostlaube neu zusammen. Bei seinem Job als Surflehrer auf St. Barth lernt er einen anonymen Gönner kennen, der die komplette Ausrüstung für seine Weiterreise nach Grönland bezahlt. Dorthin begleiten ihn zwei Freunde abwechselnd als Crew.
Die Freundschaft mit Uno aus Saqqaq und die Überwinterung im Eis bilden mit rund 100 Seiten den Mittelteil des Buches. Das Schiff, die Yvinec, wird drei Mal an den Strand gespült. Denn unzählige Stürme verhindern, dass sich das Packeis bildet. Der Anker kann nicht eingeholt werden, weil sich darum zu viel Eis gebildet hat. Die Dieselvorräte hat Guirec am Strand gelagert, um das Schiff nicht zu überladen, und muss mit SUP- Board immer wieder Nachschub holen. Trinkwasser gewinnt er aus Eisbergen. Statt im Mai schmilzt Ende März bereits das Packeis.
Auf der Nordwestpassage sieht er endlich den langersehnten Eisbären, der entkräftet im Wasser paddelt.
In Hoonah / Alaska verzaubern ihn die einheimischen Indianer. Der Dorfälteste Raino adoptiert ihn für einen Monat. In Campell River wird die Yvinec ein weiteres Mal komplett überholt, diesmal mit Mitteln aus einer Fotoausstellung und Crowdfunding über Facebxxx. Das Wetter treibt das ungleiche Seglerpaar weiter und es erreicht ohne Zwischenstopps Kalifornien, wo er vor Sausalito ankert. Die Hafengebühren in San Fransisco sind Team Yvinec zu teuer.
Aufgrund von Seuchenbestimmungen erhält sein Huhn Einreiseverbot für Französisch- Polynesien und Stürme verhindern ein Einklarieren in Argentinien. Somit führt der unglaubliche non- stop- Törn rund Südamerika in die Antarktis bis nach Südafrika. Lediglich vor Deception Island und King George Island werden Reparaturstopps eingelegt.
Die beiden letzten Atlantiküberquerungen von Südafrika über St. Helena in die Karibik und von dort über die Azoren zurück in die Bretagne werden mit nur 30 Seiten gestreift.
Huhn, Skipper und Boot erreichen lebend nach fünf Jahren Amerika- Umrundung die französische Heimat.
Wie hat es mir gefallen?
Mir hat nicht gefallen, dass der junge Abenteurer ständig mit seiner Geldknappheit kokettiert. Allein 41.000 Euro für ein Gebrauchtboot und das Budget für die Reparaturen und insgesamt vier Werftaufenthalte muss man erst einmal gespart haben. Sogar sein Leben setzt er aufs Spiel, weil er mit einer Bauchfellentzündung lieber von Grönland über Kopenhagen nach Paris fliegt, als sich vor Ort in Nuuk operieren zu lassen. Sein Geld hat nicht für eine Auslandskranken- Versicherung gereicht. Gleichzeitig deutet er an, aus einer sehr wohlhabenden Familie zu stammen, und seine Schwester schenkt ihm 6.000 Euro aus der Portokasse für einen neuen Autopiloten und Windpiloten.
Über die ganzen Landgänge des Abenteurers wird außer in Grönland relativ wenig geschrieben, was ich schlecht fand.
Die Schönheit des Winters in Grönland beschreibt Guirec viel zu knapp, obwohl er dafür die ganzen Strapazen auf sich genommen hat. Warum er für die Überwinterung ausschließlich Reis und Vitamintabletten als Proviant mitgenommen hat, habe ich nicht nachvollziehen können. Konserven oder vakuumverpackte Lebensmittel hätten sich im Eis genauso gehalten, oder?
Am liebsten habe ich die Kapitel über seinen Kampf mit den Eis und Stürmen bei der Überwinterung gelesen. Hier wird der Reisebericht fast zu Thriller und der Leser erlebt die ganzen emotionalen Tiefen mit, als wäre man dabei. Genauso begeistert hat mich die Non- Stop- Umrundung von Südamerika und wie er aus Bordmitteln die unzähligen Schäden an Bord repariert.
Sein Reisemotto befürworte ich: “ Ziel meiner Reise ist es ja, andere nicht zu verurteilen, sondern sie zu beobachten und von ihnen zu lernen.“
Highlight des Buches waren die Gespräche mit dem Huhn Monique.
Resümee: Erfrischend geschrieben. Und Leseempfehlung aufgrund der außergewöhnlichen Reiseroute, über die es wenige Segelbücher gibt.
Fazit: 4 von 5 Seesternen